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Digitalisierung der Gebäudehülle stellt Bauindustrie vor neue Herausforderungen – Strategische Zukäufe als Antwort?


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Ambitionierte Klimaziele, zunehmender Fachkräftemangel und hohe bürokratische Hürden: Die Bauindustrie steht in den kommenden zehn Jahren vor massiven Herausforderungen, die strategische Anpassungen und Neuausrichtungen erfordern werden. Eine zentrale Rolle könnte dabei zielgerichteten M&A-Konzepten, also strategischen Kompetenzzukäufen zukommen. Besonders bei der Digitalisierung der Gebäudehülle kann dies ein gewichtiger Baustein sein.

„Bis 2045 muss Deutschland klimaneutral sein. Damit liegt vor uns die größte Transformation unserer Industrie und Ökonomie seit mindestens 100 Jahren.“ Mit diesen Worten umriss Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner ersten Regierungserklärung am 15. Dezember 2021 die tiefgreifenden Veränderungen im Zuge der neuen Klimaschutzpolitik. Unser Land wird sich also auf einschneidende Reformen einstellen müssen. Wenn wir unsere selbstgesteckten Klimaziele tatsächlich erreichen wollen. Besonders die Bauindustrie wird der kommenden Dekade zahlreiche Transformationsprozesse durchlaufen müssen. Um potenzielle Lösungsansätze herauszuarbeiten, bietet es sich zunächst an, die gegenwärtige Lage einmal genauer zu analysieren:

Wachsende Komplexität erfordert innovative Lösungen

Nicht zuletzt die Gründung des neuen Bauministeriums verdeutlicht, dass die neue Bundesregierung dem Wirtschaftssektor eine enorme Bedeutung bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen beimisst. Allerdings sieht sich die Branche gegenwärtig einer ganzen Reihe drängender Fragen gegenüber, die für die Zukunft der Bauindustrie eine entscheidende Rolle spielen. Zunächst muss in diesem Zusammenhang der deutliche Nachfrageüberhang genannt werden, der in Kombination mit dem immer stärker zunehmenden Fachkräftemangel sowie der politischen Forderung nach 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ein eklatantes Problem darstellt. Um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen, muss darüber hinaus die Sanierungsquote von aktuell etwa 1,3 auf 1,8 Prozent gesteigert werden, da auf die Gebäudenutzung ein maßgeblicher Anteil an den Gesamtemissionen entfällt. Um diese Maßnahme effektiv zu realisieren, benötigt es eine gesteigerte Bereitschaft zur Entbürokratisierung, die Zulassungsverfahren entscheidend beschleunigt und dazu beiträgt, dass Bauvorhaben schneller finalisiert werden können.

Inmitten dieser herausfordernden Gesamtsituation lässt sich mit der Konsolidierung des Handwerks ein übergeordneter Trend identifizieren, der durch immer komplexere Bauvorhaben getrieben wird. Exemplarisch hierfür kann die Digitalisierung der Gebäudehülle benannt werden, die in den kommenden Jahren weiter voranschreiten und gerade kleinere Betriebe vor ganz neue Belastungsproben stellen wird.

Digitalisierung der Gebäudehülle stellt Gewerke vor Herausforderungen

Obwohl die Nutzung digitaler Ressourcen aktuell noch nicht überall verbreitet ist, wird sich dies aller Voraussicht nach schon bald ändern. Wer auch in fünf Jahren noch an größeren Projekten beteiligt sein will, wird nicht um eine Stärkung der eigenen Digitalkompetenz herumkommen.

Insbesondere das sogenannte Building Information Modeling (BIM) bietet Anwendern in der Planung signifikante Wettbewerbsvorteile, weil Prozesse beschleunigt und höchst effizient vorangetrieben werden können. Für Großprojekte gibt es mittlerweile sogar eine BIM-Pflicht. Interaktive Apps bedeuten für Projektleiter in der Erfassung und Steuerung der Baustellenlogistik einen entscheidenden Vorteil, der sich unter anderem in geringeren Projektverzögerungen niederschlägt. On-Time Lieferungen können hierdurch mit enormer Präzision erfolgen, was wertvolle Zeit spart und einen reibungslosen Ablauf sicherstellt.

Im Hinblick auf die Vision einer klimaneutralen Gebäudenutzung, werden auch Smart-Building und Smart-Home-Konzepte in naher Zukunft noch deutlich an Relevanz gewinnen. Intelligente Gebäude erkennen nicht nur eigenständig Energiesparpotenziale und können Beleuchtung, Heizung oder Lüftung autonom steuern, sondern liefern den Herstellern auch eine hochinteressante Datenbasis, die zur weiteren Optimierung genutzt werden kann.

Die gegenwärtige Datenlage zeigt klar, dass die Digitalisierung der Gebäudehülle herstellerseitig ein differenziertes Vorgehen erfordert, das sich in verschiedene grundlegende Handlungsempfehlungen wie die Beachtung regionaler Unterschiede oder eine stärkere Anwenderperspektive bei der Produktentwicklung gliedern lässt:

Nur ca. 30 Prozent der Betriebe nutzen aktuell gezielt M&A

All diese Perspektiven unterstreichen die enormen Potenziale der Branche, verdeutlichen zugleich aber auch die wachsende Komplexität sowie die Bedeutung einer immer engeren Verzahnung der einzelnen Gewerke. Planer, Hersteller, Handel und Installateure sind wechselseitig aufeinander angewiesen und stellen wachsende Anforderungen an den jeweiligen Kooperationspartner. Gerade kleinere Betriebe können mit den stetig steigenden Ansprüchen in der Bauindustrie häufig nicht hinreichend mithalten und müssen deshalb nach Alternativen suchen.

In diesem Zusammenhang wird die unmittelbare Relevanz von zielgerichteten M&A-Strategien offenkundig. Die aktuelle Datenlage zeigt, dass je nach Segment bislang allerdings nur etwa 30 Prozent der Betriebe überhaupt Erfahrung mit Fusionen oder Zu- und Verkäufen haben. Viele Unternehmen sehen sich im M&A-Prozess mit unklaren Zuständigkeiten konfrontiert, die eine erfolgreiche Integration neuer Kompetenzen mitunter maßgeblich erschweren. Dabei sind die Festlegung klarer M&A-Ziele sowie eine strategische Zielpositionierung notwendig, damit beabsichtigte Synergieeffekte auch tatsächlich stattfinden. Aus einer Befragung von Branchenvertretern wurde uns beispielsweise folgende Befürchtung zugetragen: „Wenn ich mein Unternehmen familienextern verkaufe, dann muss ich sicher sein, dass der neue Eigentümer das Unternehmen langfristig erfolgreich weiterführt und ich bei den Mitarbeitern auch in 5 Jahren noch auf dem Betriebsgelände willkommen bin.“ Diese und ähnliche Sorgen sind keineswegs Einzelfälle, sondern begegnen uns bei Branchenumfragen immer wieder. Einerseits erkennen immer mehr Verantwortliche, dass M&A-Strategien zukünftig eine enorme Bedeutung zukommen wird, andererseits fehlt es häufig an der notwendigen Expertise, anorganische Wachstumsprozesse unternehmensintern steuern und erfolgreich abschließen zu können.

M&A-Strategien verlangen nach Klarheit, Beharrlichkeit und Konsequenz

Um M&A-Strategien bestmöglich umsetzen zu können, gilt es fünf zentrale Gebote zu beachten:

  1. Betriebe benötigen eine solide Datenbasis, auf der der M&A-Prozess fußt. Es reicht nicht aus, wenn Verantwortliche sich ausschließlich auf ihr Bauchgefühl verlassen.
  2. Entscheidungen verlangen nach Klarheit und Konsequenz. Fehlende Deutlichkeit bedeutet ein zusätzliches Risiko.
  3. Einmal getroffene Entscheidungen sollten konsequent umgesetzt werden. Zögerliches Handeln kann zum Scheitern des gesamten Projekts führen.
  4. Alle Führungsebenen müssen in M&A-Prozesse integriert werden. Das Engagement der obersten Führungsebene allein reicht nicht aus.
  5. Im Rahmen der Integration neuer Maßnahmen gilt es beharrlich und nachdrücklich die Umsetzung zu begleiten, um nicht vom eingeschlagenen Kurs abzuweichen.

Der branchenweit zu beobachtende Digitalisierungstrend bei der Gebäudehülle verlangt von den unterschiedlichen Gewerken zukünftig eine steigende Bereitschaft zu strategisch ausgerichteten und sorgsam evaluierten M&A-Strategien. Dabei wird externe Expertise gerade in der Anfangszeit eine bedeutende Rolle spielen, um potenzielle Risiken zu minimieren und eine erfolgreiche Projektdurchführung zu gewährleisten.

Patrick Seidler ist Gründungspartner der S&B Strategy GmbH und verantwortet den Bereich M&A.
Patrick Seidler ist Gründungspartner der S&B Strategy GmbH und verantwortet den Bereich M&A.

Patrick Seidler ist Gründungspartner der S&B Strategy GmbH und verantwortet den Bereich M&A. Mit über 10 Jahren Erfahrung als Geschäftsführer, Berater und Manager mit Fokus auf Corporate- und Investor-Akquisitionen ist er ausgewiesener Experte für M&A – sowohl für Buy- als auch Sell-Side-Mandate. Er sammelte umfangreiche Erfahrungen im Deals-Bereich von PwC, im Vorstandsstab von Hubert Burda Media sowie im Rahmen von M&A- und Strategie-Projekten für nationale und internationale Kunden in Europa und Asien. Patrick Seidler absolvierte sein Master-Studium an der Amsterdam Business School und ist als Gastdozent an der Universität Passau tätig.


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