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BIM im Koalitionsvertrag: Die Digitalisierung des Planens und Bauens schreitet voran


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Die digitale Arbeitsmethode Building Information Modeling (BIM) nimmt weiter Fahrt auf. Auch die neue Bunderegierung hat sich die Förderung des digitalen Planens, Bauens und Bewirtschaftens von Gebäuden anhand von 3D-Gebäudemodellen auf die Agenda ihrer Legislaturperiode gesetzt. Doch welche Impulse sind von dem 177-seitigen Koalitionsvertrag für einen zunehmenden Einsatz von BIM wirklich zu erwarten und welche vertragsrechtlichen Besonderheiten sind bei einer BIM-gestützten Projektrealisierung zu beachten?

Die Pläne der Großen Koalition im Koalitionsvertrag
Nach den Plänen der Bundesregierung soll die Digitalisierung in der gesamten Wertschöpfungskette Bau weiter vorangetrieben werden. Die BIM-Methodik soll für alle Planungs- und Baudisziplinen weiterentwickelt werden. Zudem wird angekündigt, BIM bei allen neu zu planenden Verkehrsinfrastrukturprojekten anzuwenden und bei Baumaßnahmen des Bundes verstärkt einzusetzen.

Positiv ist, dass die Koalitionsparteien den Einsatz und die Verbreitung von BIM am Markt weiter klar in den Fokus ihrer Tätigkeit stellen möchten. Im Koalitionsvertrag von 2013 war das Thema BIM oder die Digitalisierung der Bau- und Immobilienbranche noch an keiner Stelle erwähnt. Begrüßenswert ist auch, dass die Digitalisierungsbestrebungen sich ausdrücklich auf die gesamte Wertschöpfungskette und auf alle Planungs- und Baudisziplinen beziehen. Denn in einigen Bereichen ist der Einsatz von BIM noch ausbaufähig. Dies gilt zum Beispiel für BIM-gestützte Maßnahmen bei Umbauten oder Sanierungen von Bestandsgebäuden sowie insbesondere im Rahmen der Gebäudebewirtschaftung, in der sich mitunter die größten Kosten- und Effizienzgewinne generieren lassen.

Allerdings sind die Passagen im Koalitionsvertrag sehr zurückhaltend formuliert. Insbesondere geht die zukünftige Bundesregierung nicht den Schritt, sich auf eine konkrete, zumindest ab gewissen Schwellenwerten oder für bestimmte Typen von Vorhaben ausgestaltete Pflicht zum Einsatz von BIM festzulegen. Im Gegensatz dazu hat zum Beispiel die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen im Koalitionsvertrag von Mitte 2017 festgeschrieben, dass der Einsatz von BIM bei öffentlichen Bauten ab dem Jahr 2020 verbindlich vorgeschrieben wird. Auch im Ausland, zum Beispiel in den skandinavischen Ländern oder in England, ist der Einsatz von BIM bei öffentlichen Bauvorhaben größtenteils Pflicht.

Im Übrigen gehen die Pläne inhaltlich weitgehend nicht über die bisherigen Initiativen der Bundesministerien hinaus. So wurde beispielsweise bereits im Stufenplan des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) Ende 2015 angekündigt, BIM bei Infrastrukturprojekten des BMVI ab dem Jahr 2020 einzusetzen. Nach dem Runderlass des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) Anfang 2017 sind zudem die Bauverwaltungen verpflichtet, bei Bundeshochbauten zu prüfen, ob sich das Projekt zum Einsatz von BIM eignet.

Aufgrund der klaren Zielsetzung im Koalitionsvertrag ist dennoch zu erwarten, dass BIM weiter gefördert wird und durch entsprechende Maßnahmen letztendlich (öffentliche) Ausschreibungen mit BIM zunehmen werden. Auch wenn ein Koalitionsvertrag nicht rechtlich verbindlich ist, entfaltet dieser eine signifikante politische Verbindlichkeit.

Die größten Effekte könnten aus der neuen Verteilung der Ressorts resultieren. Die Zuständigkeit für den Hochbau geht vom bislang SPD-geführten BMUB auf das CSU-geführte Bundesministerium für Inneres (BMI) über. Das für den Infrastrukturbau zuständige BMVI bleibt bei der CSU. Die Folge: Die für die Digitalisierung der Bau- und Immobilienbranche zentralen Bundesministerien sind parteipolitisch unter einem Dach vereint. In der Vergangenheit waren sich BMUB und BMVI aufgrund parteipolitisch unterschiedlicher Führungen bei der Digitalisierung des Bauens und Planens nicht immer einig. Deshalb bleibt zu hoffen, dass nun bei diesem Zukunftsthema an einem Strang gezogen wird.

Vertragsrechtliche Umsetzung von BIM
Die zunehmende öffentliche Förderung macht deutlich: Der gesamte Planungs- und Immobilienmarkt wird sich mit BIM befassen müssen. Dabei wird es ganz erheblich darauf ankommen, den zahlreichen praktischen Herausforderungen beim Einsatz von BIM durch eine hinreichende Vertragsgestaltung einen geeigneten Rahmen zu geben. Denn BIM erfordert eine deutlich stärkere Zusammenarbeit und Transparenz zwischen den Projektbeteiligten, kann eine frühere Einbindung der Baubeteiligten begünstigen und führt zu Leistungsverschiebungen im iterativen Planungsprozess.

Eine konzeptionell vielversprechende Methode, diese Besonderheiten vertraglich abzubilden, stellen Mehrparteienverträge dar, wie sie im angelsächsischen Raum zum Teil gebräuchlich sind. Damit ist ein einziger Vertrag zwischen Bauherrn und den weiteren relevanten Projektbeteiligten gemeint. Dieses Vertragsmodell ist für den Projekterfolg allerdings nicht zwingend. Die Besonderheiten der Zusammenarbeit im gemeinsamen BIM-Modell können vertragsrechtlich auch einzelvertraglich auf Grundlage BIM-spezifischer Vertragsregelungen abgebildet werden. So können zum Beispiel die rechtlichen Aspekte bei der Anwendung von BIM – von dem vertraglichen Festschreiben der Kooperationspflichten, über die Haftung bis zum Urheberrecht – in einheitlichen BIM-spezifischen Vertragsregelungen (BIM-VR) zusammengefasst werden. Die komplexen technischen und organisatorischen Anforderungen beim Arbeiten mit BIM werden für gewöhnlich in einem BIM-Pflichtenheft und einem BIM-Abwicklungsplan (BAP) hinterlegt. Dadurch wird gewährleistet, dass die BIM-Anforderungen einheitlich in alle Verträge einfließen. Von zentraler Bedeutung für den Projekterfolg sind in diesem Zusammenhang die sogenannten Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA), auf die die BIM-Anhänge aufsetzen. In den AIAs wird durch den Auftraggeber vorab festgelegt, welche Ziele und Anwendungsfälle er mit BIM verfolgt, welche Daten wann benötigt werden und welche Software und Dateiformate zu nutzen sind. Zudem wird geregelt, an welchen Übergabepunkten die Daten in das Gebäudemodell eingepflegt werden. In der Praxis ist zu beobachten, dass die zahlreichen BIM-Anhänge aufgrund der hohen Informationsdichte Widersprüche aufweisen können, wodurch eine eindeutige Zuordnung der Leistungs- und Verantwortungsbereiche bei BIM nicht immer vollständig gegeben ist. Dies lässt sich durch einen umsichtigen Strukturierungsprozess und eine Entschlackung der Dokumente vermeiden.

Aufgrund des kollaborativen Ansatzes ist darauf zu achten, dass die Koordinierungs- und Integrationsaufgaben der Projektbeteiligten an dem gemeinsamen Modellinhalt vertraglich einzeln abgebildet werden. So ist zum Beispiel genau festzulegen, welcher Fachplaner das BIM-Modell in welcher Detaillierungstiefe (Level of Detail, LoD) schuldet. Ebenso wichtig ist es zu klären, welcher Akteur das BIM-Management übernimmt und wie dessen konkreter Aufgabenzuschnitt ist. Das BIM-Management ist für die übergeordnete Strukturierung des BIM-Workflows zuständig. Zentral ist auch die Frage der Vergütung beim Einsatz von BIM. Bei den Leistungen nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ist zu bestimmen, wie eventuelle Minder- oder Mehrleistungen angesichts des veränderten Planungsablaufs vergütungsmäßig bewertet werden. Ferner ist genau zu prüfen und gegebenenfalls vertraglich klarzustellen, welche BIM-relevanten Leistungen dem zwingenden Preisrecht der HOAI unterliegen und welche als „Besondere Leistungen“ frei verhandelbar sind. Noch mehr Aufmerksamkeit als bisher erfordern in der Vertragsgestaltung zudem urheberechtliche Fragen, die Einräumung von Nutzungs- und Datenhoheitsrechten an den BIM-Modellen und Objekten sowie IT-rechtliche Aspekte (Lizensierungen). Von zentraler Bedeutung sind schließlich haftungs- und versicherungsrechtliche Aspekte.

Fazit
Ein flächendeckender Einsatz von BIM bei Planung und Bau dürfte keine ferne Zukunftserwartung mehr sein, sondern bald Realität werden. Die fortgesetzte Förderung von BIM auch durch die neue Bundesregierung macht dies deutlich. Auf die hiermit einhergehende Umgestaltung der Planungs- und Bauabläufe muss sich die Branche daher einstellen. Insoweit ist es auch Aufgabe des Juristen, passgenaue (Vertrags-)Lösungen anzubieten, die die weitere Implementierung von BIM nicht hindern, sondern ihr dienlich sind und vor allem das volle Potential von BIM ausschöpfen.

Tino Beuthan ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland

Über den Autor:
Tino Beuthan ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland und spezialisiert auf die rechtliche Begleitung sämtlicher Digitalisierungsprozesse in der Planungs-, Bau- und Immobilienbranche, insbesondere im Zusammenhang mit Building Information Modeling (BIM).


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