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Energieeffizienz gewerkeübergreifend planen und ausführen


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Die Gebäudeautomation verknüpft das Einsparpotenzial aller Gewerke und kann so zusätzlich bis zu 30% Energie sparen. Einfache Effizienzklassen A bis D und leicht verständliche Funktionen ermöglichen die Zusammenarbeit aller Experten mit Hilfe leicht bedienbarer Software.


Autor: Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Kabitzsch


Gewerkeübergreifende Energieeffizienz

Mit der wachsenden Bedeutung der Energieeffizienz wird immer klarer, dass sich Energie im Gebäude nicht an die traditionellen Gewerkegrenzen hält und diese dadurch zum Problem werden. Auf der Seite der Energiequellen und –speicher hat sich dafür der Begriff „Sektorkopplung“ entwickelt, der gleichberechtigt alle Energieformen (thermisch, elektrisch, optisch, mechanisch, chemisch usw.) sowie ihre Umwandlung ineinander betrachtet. Ähnlich ganzheitlich muss man auch die Bedarfsseite behandeln, die z. B. Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung, Elektro, Fassaden, Fenster usw. umfasst und vom menschlichen Nutzerverhalten, den Umgebungsbedingungen usw. beeinflusst wird.   

Die gelebte Baukultur, die Abläufe in den einzelnen HOAI-Leistungsphasen sowie die Expertise der Planer und Ausführenden sind auf diese ganzheitliche Sicht nicht vorbereitet. Das bisher übliche, frühzeitige Delegieren an getrennte Gewerke und ihre Planer und Ausführenden ist nicht mehr zeitgemäß, da diese getrennt keine ganzheitliche Energieeffizienz im Gebäude erreichen können. Jedes Gewerk pflegt stattdessen eigene Begriffswelten, Denkmuster und Regeln. Auch die Planungsdokumente aus Hochbau, HLK, Elektro usw. enthalten derart verschiedene Beschreibungsmittel, dass eine Verständigung fast unmöglich wird. Dem Bauherrn geht es aber um eine Gesamtlösung aus einem Guss und es darf nicht sein, dass er sich im Extremfall die notwendige Expertise mühsam selbst zusammensuchen muss. Dafür braucht man mindestens vier Voraussetzungen:

  1. Personen: Wir brauchen Planer und Ausführende, die sich den Nachbargewerken öffnen, sie verstehen und mit ihnen verhandeln wollen. Und wir brauchen Generalisten, die diese Kommunikation moderieren.
  2. Prozesse: Die größten Fehler werden in den frühen Konzeptphasen gemacht. Ganzheitliche Konzepte müssen daher in den ersten HOAI-Leistungsphasen beginnen, in den folgenden Phasen konsequent weiter moderiert und am Ende (Abnahme, Betrieb) ebenso konsequent kontrolliert werden.
  3. Sprache: Alle Beteiligten brauchen eine gemeinsame „Sprache“, müssen sich also auf Beschreibungsmittel einigen, die alle (einschließlich Bauherr) leicht verstehen und das Wesentliche aussagen.
  4. Werkzeuge: Alle o. g. Personen in einer gemeinsamen Sprache durch alle Prozesse zu führen, wird nur mit Werkzeugen gelingen. Hier könnte die Digitalisierung weiterhelfen.

Energieeffizienzklassen für Gebäude

Die Gebäudeautomation ist ein wichtiger Vermittler zwischen den o. g. Gewerken und Energieformen. Sie organisiert ein Energiemanagement zwischen deren Energiequellen, -speichern und –bedarfen. Für die dadurch erreichbare Energieeffizienz definiert die EN 15232 seit Jahren bewährte Effizienzklassen, deren Bezeichnungen A bis D bewusst an die Konsumgüterbranche anknüpfen, um auch für Laien (Bauherren) verständlich zu sein. In präzisierter Form werden die Klassen demnächst als ISO 52120 weitergeführt. Die Vergabe der Klassen wird an das Vorhandensein bestimmter Funktionen im Gebäude geknüpft, die im weiteren Sinne das Energiemanagement beschreiben. Funktionale Beschreibungen sind in der Gebäudeautomation seit Jahrzehnten bewährt und werden in den VDI-Richtlinien 3813 und 3814 sowie der ISO 16484 präzisiert. Die meisten lassen sich so vereinfacht beschreiben, dass sie im o. g. Sinne für alle Gewerke (und selbst Bauherren) verständlich sind und sich daher als gemeinsame „Sprache“ zur Moderation und Kontrolle (bis zur Abnahme) eignen. Je mehr solcher Funktionen im Gebäude eingebaut sind, umso höher ist die erreichbare Effizienzklasse.

Energieeffizienz bedeutet dort nicht etwa „Sparsamkeit durch Verzicht“. Stattdessen sollen gute Gebrauchseigenschaften erreicht und trotzdem der Energieverbrauch reduziert werden. Energieeffizienz wird also eher als „Vermeiden von Verschwendungen“ definiert. Und mit Verschwendung ist ein Energieeinsatz gemeint, der keinen wesentlichen Beitrag zum Gebrauchsnutzen liefert. Dabei vernachlässigen die o.g. Normen solche Verschwendungseffekte, die nur wenig zeitabhängig sind und durch andere konstruktive Maßnahmen (Wärmedämmung, Wärmerückgewinnung, Brennwerttechnik, LED-Beleuchtung usw.) beeinflusst werden können. Dafür gibt es andere Normen. Die Gebäudeautomation kann dagegen vor allem „zeitabhängige Verschwendungen“ reduzieren, z. B.:

  • Zeitveränderliche Benutzung: Ein Raum wird nur vollständig benutzt, wenn sich Menschen darin aufhalten. Gelingt eine Messung oder gar Vorhersage dieser Präsenz, können sich Beleuchtung, Heizung, Kühlung, Sonnenschutz, Lüftung, Be-/Entfeuchtung usw. darauf einstellen. Sie fahren dann z. B. in einen sparsamen Betriebsmodus, sobald sich keine Personen im Raum aufhalten.
  • Zeitveränderliche Umgebungsbedingungen: Gelingt eine Messung von Außentemperatur, Windgeschwindigkeit, Feuchte, Sonneneinstrahlung usw., können sich Heizung, Kühlung, Beleuchtung usw. entsprechend anpassen.
  • Zeitweise Speicherung „günstiger“ (z. B. regenerativer) Energie: So könnte der Baukörper vorübergehend Kälte speichern („freie Nachtkühlung“) oder ungenutzte Räume thermisch aufladen bzw. vorausschauend lüften. Die Erträge von Solaranlagen lassen sich in Batterien (elektrisch) oder thermischen Speichern temporär aufbewahren, damit ein Optimierungsalgorithmus den günstigsten Abgabezeitpunkt berechnen kann. 

Wachsende Bedeutung der frühen Planungs- und Entscheidungsphasen

Wenn Bauherren bzw. Architekten grundsätzlich über Heizung, Lüftung, Beleuchtung, Jalousien usw. entscheiden, ist ihnen dieser Zusammenhang zwischen den dort gewünschten Funktionen und der erreichbaren Energieeffizienzklasse meist nicht klar. Dabei legen sie gerade in dieser frühen Entscheidungsphase das Einsparpotenzial bereits endgültig fest (Leistungsphase LPH 1 nach HOAI). Gemeinsame Planung ist besonders in den Räumen wichtig, denn dort haben die späteren Nutzer den engsten Kontakt mit dem Bauwerk, spüren das Wirken der Automatisierungsfunktionen am direktesten, so dass sich später die meisten Kritiken der Nutzer auf das Verhalten der Räume beziehen. Zur frühzeitigen Festlegung der Kompromisse zwischen Energieeffizienz und automatischem Komfort gemeinsam mit dem Bauherrn fehlte aber bisher ein anschauliches Werkzeug, mit dem alle Beteiligten die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nachvollziehen und verstehen können.

Beispiel aus dem Dialog zwischen dem Werkzeug www.AUTERAS.de und dem Nutzer inklusive der resultierenden Energieeffizienzklasse
Bild1: Beispiel aus dem Dialog zwischen dem Werkzeug www.AUTERAS.de und dem Nutzer inklusive der resultierenden Energieeffizienzklasse

Anschauliche Beratung des Kunden

Der in jedem Browser kostenfrei nutzbare Konfigurator www.AUTERAS.de unterstützt jetzt diese Kommunikation zwischen Experten und Kunden, ist aber so einfach gehalten, dass er von Laien auch autark genutzt werden kann. Er stellt dem Nutzer schrittweise Fragen zu seinen funktionalen Wünschen für jedes einzelne Gewerk (Bild 1) und zeigt nach jeder Antwort die bereits erreichte Energieeffizienzklasse (A bis D) an. Jede Automatisierungsfunktion wird bei Bedarf durch Texte und Videos erläutert, so dass man das Werkzeug auch als Lernplattform für Raumautomation nutzen kann. Alle funktionalen Kundenwünsche werden dann automatisch in Standardfunktionen nach der VDI-Richtlinie 3813 übersetzt (Bild 2), so dass sie eindeutig und rechtssicher definiert sind und den anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

Bild 2: Aus den Kundenwünschen automatisch ermittelte Standardfunktionen (Ausschnitt) sowie Klicksymbole zum Aufruf von Erklärvideos
Bild 2: Aus den Kundenwünschen automatisch ermittelte Standardfunktionen (Ausschnitt) sowie Klicksymbole zum Aufruf von Erklärvideos

Anschließend ermittelt ein KI-Algorithmus beispielhaft passende Produktkombinationen, die alle funktionalen Kundenwünsche erfüllen könnten und auch eine Kostenschätzung erlauben (Bild 3). Die dadurch festgelegten Raumtypen können auch in Raumbücher exportiert werden, wie sie Architekten und Ausführende benutzen. 

Bild 3: Durch KI errechneter Entwurfsvorschlag zur Erfüllung der gewünschten Funktionen durch vernetzte Geräte
Bild 3: Durch KI errechneter Entwurfsvorschlag zur Erfüllung der gewünschten Funktionen durch vernetzte Geräte

Weiterleitung in die folgenden Bauphasen

In Zukunft wird es auch einen datendurchgängigen Export zur Ausführungsplanung (endgültige Produktauswahl in LPH 5) sowie zur Baustelle und den dortigen Integrations-Tools geben (z.B. als ETS-Projekt für KNX).

Bild 4: Protokoll der vom Nutzer formulierten funktionalen Wünsche
Bild 4: Protokoll der vom Nutzer formulierten funktionalen Wünsche

Literatur

[1] DIN EN ISO 52120-1 Energieeffizienz von Gebäuden – Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement – Teil 1: Module M10-4, 5, 6, 7, 8, 9, 10; Entwurf Dezember 2019

[2] Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI) in der Fassung von 2021

[3] www.AUTERAS.de

[4] VDI-Richtlinie 3813 Blatt 2 Raumautomationsfunktionen (RA-Funktionen), Verein Deutscher Ingenieure, Mai 2011

[7] VDI 3814 Blatt 3.1 Gebäudeautomation (GA) – GA-Funktionen – Automatisierungsfunktionen; Verein Deutscher Ingenieure Januar 2019

[8] DIN EN ISO 16484-3 Systeme der Gebäudeautomation (GA) – Teil 3: Funktionen; Dezember 2005

[9] DIN EN 15232 Energieeffizienz von Gebäuden – Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement; November 2007


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